Platte(n-)Tektonik

Bevor aus den lärmenden Fankurven von Künstlertochter Greta („schlimmste Krise der Menschheit“) und Pfarrerssohn Rezo („Zerstörung der CDU“) der gemeinsame apokalyptische Abgesang mit Unterstützung von deren höchst eigentümlichen Panikorchestern (ohne sich auf Udo Lindenbergs „Sonderzug nach Pankow“ berufen zu können) in unfreiwillig urdeutschester Manier („Waldsterben“, „saurer Regen“, „Ozonloch“) erschallt, möchte ich hier zu guter Letzt („das Ende ist Nahles“) in aller Plattheit ganz andere Zusammenhänge kurz („Sebastian“) noch zum Besten geben.

Man soll ja ruiniert rüberkommen. Die Plaza von Laodizäa mit ihren Säulenstümpfen auf dem Hochplateau der piazza strahlt im morgendlichen Nebel genau jene zielgerichtete Morbidität aus, die Lust auf weitere Katastrophen macht:

laodizäa

Solch griechische Tragödie setzt sich von Kleinasien und Attika dann durch die Jahrtausende unausgesetzt fort bis ins heutige Zeitalter der Containerterminals an den Piers von Plattdeutschland. Die bös amerikanisierte Waterkant von Bremerhaven ist da eines der abschreckendsten Beispiele. Höchste Zeit also, dass Kreti und Plethi abgelöst werden durch Greti und Rezi. Wirtschaft war gestern; jetzt kommen Gretifikation und Rezolution endlich zu ihrem Kinderrecht. Da muss jeder Kranwahn endgültig, blitzschnell und eiskalt zermalmt werden.

bremerhaven

Antike von rechts, Industriezeitalter von rechts … äh nein, von links – in unterschiedlichen Spurgrößen zwar [ab jetzt: Ironie off], aber perspektivisch durchaus kombinierbar mit den piatti beim Letzten Abendmahl des Leonardo da Vinci. Indem ich hier eine Reproduktion aus einem oldenburgischen Gesangbuch des neunzehnten Jahrhunderts einrücke, bekenne ich mich ausdrücklich zu jenem großartigen, aber in unverschuldet heftigen Misskredit geratenen Kulturprotestantismus, dem kein Zacken aus der Krone brach, wenn er (Achtung, hier werden nun lauter römisch-katholisch sozialisierte Autoren bzw. deren Werke aufgezählt:) Haydns Schöpfung, Mozarts Requiem oder Beethovens Missa solemnis ebenso zur Aufführung brachte wie die Kuppel der vatikanischen Peterskirche, die Geburt der Venus von Botticelli oder eben besagtes Fresko aus dem Refektorium eines Mailänder Klostergebäudes zu Vorbildern eigenen künstlerischen Schaffens machte.

leonardo abendmahl

Liebe Leserinnen und Leser, die Frage an Sie und Euch lautet nun: Können Verbindungen unter den drei Abbildungen in diesem Text hergestellt werden? Denken wir uns die Welt noch als festgebackene Pizza oder doch schon als bewegliche Kugel? — Da Mitmachaktionen erfahrungsgemäß aber immer noch, trotz allen wissenschaftlichen Fortschritts, schleppend bis gar nicht anlaufen, teile ich im folgenden schon mal einige Lösungsansätze mit. Wer präferiert was?

Erstens:

IMG_20190525_221003

Zweitens:

IMG_20190525_220830

Drittens:

IMG_20190525_221047

Für weitere Anregungen wäre ich dankbar. Unser 500-Jahres-Gedenkmann war schließlich nicht irgendwer; die Technik hat ihn ebenso begeistert wie die Antike. Beides kulminiert bei ihm in einer kühnen Interpretation christlicher Überlieferung. Etliche Linien führen direkt dorthin und perspektivisch weit darüber hinaus. Der Renaissancemensch lebt im übrigen bei uns weiter (denn die Geschichte schritt ja fort) in seinem optimistischen Humanismus, in den Spuren von Athen, Rom und Jerusalem.

Fazit: Bevor wir in der Mitte Europas uns zopfig gretagrünschnablig und haarig rezoblauäugig von derselben mit furchtbar deutscher Gründlichkeit gewaltsam lossagen wollten, wäre es vielleicht angebracht, doch noch einmal innezuhalten. Das entspräche nicht nur den besten romantischen Gedanken, die unsere Kultur ja auch hervorgebracht hat; es wäre zudem allem Denken, Reden und Tun angemessen, welches ein menschengemachtes Beben in unserer kulturellen Plattentektonik wenn nicht absolut verhindern so doch mit freundlich langem Atem abmildern bis entschärfen könnte.

Yes, we can’t

„Wir schaffen das“ war vor bald vier Jahren das Startsignal für alles, was man seitdem, milde ausgedrückt, „Flüchtlingskrise“ nennt. Dieses Bonmot (oder: Malmot?) aus dem Munde unserer Bundeskanzlerin scheint im Rückblick die deutsche Antwort auf die US-amerikanische Ermunterung des Präsidentschaftskandidaten anno 2008 zu sein. Über zehn Jahre ist es her, dass der Senator aus Chicago, Barack Obama, unter dem orgiastischen Jubel einer unübersehbar großen Menschenmasse auf der Straße des 17. Juni in Berlin wie ein Messias empfangen und für seinen Ausruf „Yes, we can“ besinnungslos beklatscht wurde.

An der Siegessäule meinte damals ein idolbesoffenes selbsternanntes Weltbürgertum, über die künftigen transatlantischen Zeitläufte alternativlos gut entschieden zu haben. Es begann mit einer prophylaktischen Friedensnobelpreisverleihung an den tatsächlich gewählten und 2012 im Amt bestätigten ersten schwarzen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika – und endete nach acht Jahren im weltpolitischen Chaos von Drohnenkriegen, in verschärften Fronten im Nahen Osten und mit Misstrauensbekundungen nicht nur aus Russland, sondern auch aus dem Kreis von abgehörten europäischen Verbündeten. Ende 2016/Anfang 2017 war der Mehrheit der amerikanischen Elektoren dann nicht etwa nach der ersten Frau im Präsidentenamt zumute, sondern nach einem alten weißen Cis-Mann, der sich bis jetzt darin treu geblieben ist, nicht als diplomatischer Politiker, sondern als selbständiger Unternehmer und dealmaker zu agieren. Einen neuen Krieg hat er bisher nicht begonnen.

Die dennoch in den bundesdeutschen Medien grassierende Verteufelung des derzeitigen US-Präsidenten hängt natürlich damit zusammen, dass mit ihm gesellschaftspolitisch nach den Begriffen der political correctness kein Staat zu machen ist. Wer legt sich schon ins Zeug für jemanden, der den „menschengemachten Klimawandel leugnet“? So jemand kann nicht als Vorbild dienen, wenn es um kultartige Bedürfnisse geht. Von denen haben wir, die Deutschen, immer sehr viel. Ich erinnere mich an die Begeisterungsstürme, als Papst Woityla in Münster (Westfalen) erschien. Der Besuch des sowjetischen Staats- und Parteichefs mitsamt seiner attraktiven Ehefrau Raissa in den späten Achtzigern verursachte laut „Spiegel“ damals gar einen kollektiven „Gorbasmus“. Etwas gesitteter mag es gut zwanzig Jahre zuvor beim Volksauflauf am Schiffgraben in Hannover zugegangen sein, als Queen Elizabeth II. ihren ehemaligen Untertanen einen Besuch abstattete. Aber zwei Jahre noch von da zurück, 1963, vor dem Schöneberger Rathaus, war kein Halten mehr, als US-Präsident Kennedy auf deutsch sein Pfannkuchenbekenntnis ablegte und ausrief: „Ich bin ein Berliner“.

Wir Deutschen mögen den Personenkult. Da setzt bei uns der Verstand aus. Dem Führer hat man einst gehuldigt wie sonstwas. Wie gut hatte der abgeguckt im faschistischen Italien und beim Stalinismus; und wie tief zog sich die Blutspur auch anderswo, im Maoismus und Titoismus sowie in den verderbenbringenden Verehrungszwängen von Albanien, Kambodscha, Vietnam, Nordkorea, Kuba, Rumänien oder Venezuela. Eigenartigerweise gibt es nach 1945 keine deutsche Persönlichkeit, die von ihrem Volk verheiligt worden wäre. Ulbricht wurde eher als Posse wahrgenommen, trotz aller Gefahren an Leib und Leben, die solch gesundes kritisches Urteil standhafter DDR-Bürger mit sich brachte. Die diktatorische Böswilligkeit des vorgeblich ersten Arbeiter- und Bauernstaates auf deutschem Boden muss allerdings wohl erst noch aufgearbeitet werden. Dass die sozialistische Staatssicherheit ein noch engmaschigeres Netz gesponnen hatte als die nationalsozialistische Geheime Staatspolizei, sollte nicht in Vergessenheit geraten.

Der gemeine deutsche Personenhype fokussiert sich heutzutage also eher auf ausländische Stars: Das ist insofern günstig, als den so Verehrten keinerlei wirkliche Verantwortung zuerkannt werden muss. Kennedy, Lizzy, Urbi et Orbi, Gorbi, Obi: Sie sorgen oder sorgten für ihre eigenen Länder oder Schützlinge, nicht primär für die Bundesrepublik. Die SPD-Kampagne „Willy wählen“ von 1972 war wahrscheinlich die einzige Ausnahme, welche die nachkriegsgeschichtliche Regel nur bestätigte: Denn nach anderthalb Jahren wars dann endgültig vorbei mit jenem Bundeskanzler, der immer so strahlend und sonnengebräunt und geschichtsweise aufzutreten hatte … Die „Willy!Willy!“-Rufe seiner Anhänger, die sich nicht zu schade waren, auch ihre Kinder mit Fähnchen auszustatten und diese auf Wahlkampfveranstaltungen begeistert schwenken zu lassen, sprechen da eine bezeichnende Sprache …

Aber nun hat die deutsche Jugend ja ein neues ausländisches Vorbild namens Greta. Die sechzehnjährige Schülerin aus Schweden ruft recht regelmäßig und erfolgreich im Sinne ihres Slogans „Fridays For Future“ zu Demonstrationen für die Klimarettung auf. Damit es den Erwachsenen auch richtig wehtut, finden die straßenfüllenden Proteste immer freitagmorgens zur besten Schulzeit statt. Auch die Bundeskanzlerin hat mittlerweile die notorische Schwänzerei gutgeheißen, so dass der Rechtsstaat alleingelassen dasteht auf weiter Flur. Andererseits: Warum soll man denn auch bitteschön sich noch Wissen aneignen unter kundiger Anleitung von Lehrpersonen, wenn doch sowieso morgen die Welt untergeht?

Befeuert werden die Großkinder saturierter Altachtundsechzigerrevolutionäre von den Möchtegerndemagogen der dazwischenliegenden Elterngeneration. Und es stimmt ja auch: Die „89er“ sind so etwas wie betrogene Betrüger; denn als sie im besten Revoluzzeralter wie ihre Vorbilder zwei Jahrzehnte zuvor mit Anfang zwanzig aufbegehren wollten, machte ihnen der Berliner Mauerfall einen Strich durch die Rechnung idealistischer Flausen vom Gleichklang in Marx- und Engelszungen. Flüggegewordener Nachwuchs solch bedauernswerter Sandwichkinder soll ergo jetzt richten, wo der böse alte Cis-Mann in barocker Inkarnation etwa eines patriarchalen Bundeskanzlers Kohl die seinerzeitigen frischen Kräfte an deren guten Werken hinderte.

Deutsche Bischöfe beiderlei Geschlechts und Konfession entblöden sich in diesen unorientierten Zeiten nicht, die Klimaaktivistin aus Stockholm in einen prophetischen, wenn nicht gar gleich jesusmäßigen Rang zu erheben. Predigten auch von normalen Pfarrern vor Ort verklären das so herzzerreißend traurig dreinblickende Mädchen zur göttlichen Botin. „Wie hast du’s mit dem Klimaschutz?“ wird zur unüberbietbaren Gretchenfrage 2.0 hochgejazzt. Dass der Glaube an Gott eigentlich weitaus mehr meint als gesellschaftspolitische Rechthaberei, soll bloß niemand mehr ernsthaft denken müssen. Nein, alles ist klar, entschieden, eindeutig, alternativlos. Wehe dem, der heutzutage mit neuen Reden über die Religion an die Gebildeten unter ihren Verächtern um die Ecke käme – die könnten ja (und wir bemühen ein weiteres Mal Goethes Faust) „leider auch Theologie“ enthalten …

Zur heutigen Wahrheit würde indes ziemlich sicher gehören, dass wir „das“, was uns einerseits in barrierefreie Toleranz oder andererseits in massenhafte Panik geraten lassen soll, durchaus nicht schaffen. Weder die Einwanderung von Angehörigen zutiefst archaisch geprägter Kulturen noch die Bewältigung der tatsächlich wirkenden, aber eben weniger menschenabhängigen als vielmehr, wie seit Jahrmillionen üblich, solar verursachten weltweiten Klimaveränderung lassen sich mal eben so wuppen. Idole hin oder her. Die wahre Sonne scheint sowieso vor Ort und lässt die Traditionen strahlen:

IMG_20190518_093042

Lob einer je eigenen Heimat mitsamt deren auch neugotischen Zeugnissen in eigentlich doch wunderschönen Bauwerken, bereit zur Überwindung von Schleusen – und fest auf dem Boden des bundesdeutschen Grundgesetzes, das nun siebzig Jahre alt wird, in bester schwarz-rot-goldener Verankerung: Was gibt es besseren Schutz vor Personenkult jeglicher Couleur? Wir schaffen nicht alles, aber darüber müssen wir die Freiheit nicht verlieren. Wer so weit denkt wie das Meer unendlich ist, fühlt und weiß sein Herz am richtigen Ort. Und damit zurück nicht in die bloß großdimensionierte, aber in Wirklichkeit inhaltsleere „Vielfalt“ von allem und jedem, sondern ganz sinnlich und genau, durchaus republikanisch-demokratisch-amerikanisch-deutsch-bürgerlich bestimmt zum Beispiel nach –  Bremerhaven.

Foto: Bremerhaven, Schleuse mit Schiff, das ins offene Meer steuert, dahinter Großer Leuchtturm, auch Loschenturm genannt, erbaut 1853 bis 1855 nach Plänen des Bremer Architekten Simon Loschen (1818-1902).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Primus insta grammes

Jeder will heutzutage ein Star sein. Wer sich nicht zum Tonfilmmagazin Youtube traut, wagt vielleicht eine stille Karriere beim Weltbebilderer Instagram. Dort kann sich auch der Provinziellste unter die Leute mischen, sich den Reichen und den Schönen zugehörig fühlen.

Schon beim bloßen Betrachten der bunten Fotografien sehe ich mich auf einer Stufe mit Jet-Set-Menschen, die, wenn sie nicht gerade im Gym ihre Luxuskörper durchtrainieren, mal eben nach Dubai fliegen (mit Nächtigung in diesem irre berühmten Segelhotel, das eigentlich in Bremerhaven steht) oder in Sydney vor dem Opernhaus posieren (Betonung liegt auf „vor“).

Seitdem ich selber einen Instagramaccount besitze (unter meinem richtigen Namen! Besuchen und liken Sie doch mal die Bilder bei feo_eccard!), habe auch ich Abonnenten und bin Abonnements eingegangen. Fleißig verteile ich rote Herzchen (bei Facebook wären das die hochgereckten Daumen) an alles, was mir bei meinen Followern gefällt.

Besonders gern habe ich einen gewissen Rick Derneburg, der als rick_derneburg unterwegs ist. Kein Land, das er nicht schon bereist hätte. Ob China

china

oder Thailand,

thailand

er kennt alle noch so entlegenen Winkel dieser Erde. Als kundigen Bonvivant zieht es ihn in dieser dunklen Jahreszeit natürlich auf die uns gegenüberliegende Erdhalbkugel. Dort herrscht nach einem lieblichen Frühling jetzt strahlender Sommer. Den Lenz hat er in diesem atmosphärisch dichten Shot festgehalten:

südhalbkugel

Aber nicht nur in Fernost oder südlich des Äquators ist Rick Derneburg ein kulturschlürfender Stammgast; auch in den rauhen Gefilden im romanisch-gotischen Frankreich

frankreich

oder im schroffen gruseligen England (nur der Rasen ist gepflegt),

england

ja auch im andalusischen Cordoba

cordoba

kennt er sich bestens aus. Die blicksichere Raffinesse seiner Schnappschüsse zeugt von innerer Souveränität des fotografierenden Subjekts und zugleich von intimer Vertrautheit mit den fotografierten Objekten. Was auch immer dem Globetrotter vor die Linse kommt – es wächst nachgerade unmerklich und doch so bezwingend wirkmächtig über sich beziehungsweise ihn hinaus zu edler Einfalt und stiller Größe. Unter diesem Winckelmannschen Kriterium lässt sich jede stadtrömische Kirche noch einmal ganz neu in Augenschein nehmen, so wie diese hier:

rom

Und was das Beste an diesem begnadeten Instagrammer ist: Er zeigt uns auch hin und wieder die öden Seiten der ansonsten zu Weltattraktionen hochgejazzten Sehnsuchtsorte. Sein jüngstes Posting ist derart sprechend, dass dahinter alles, was Sie bisher über Venedig zu wissen glaubten, schleunigst verblassen muss:

venedig

Ach, werden nun einige Schlauberger sagen, das soll etwa die Seufzerbrücke in der Serenissima sein? Und der Klotz mit dem gewellten Dach hinten links gar der Dogenpalast? – Nun sehe ich doch nochmal genauer hin und – ähm – bemerke: Ich hatte wohl einen leichten Knick in der Optik. Aber Rick Derneburg ist daran mitnichten schuld. Brav und bodenständig, wie er ist, hat er seine Bilder wahrheitsgemäß beschriftet. Nur wollte ich das nicht lesen. Die Illusion mochte ich mir nicht rauben.

In Wirklichkeit sehen wir also folgendes: Die Nachbildung der Terrakotta-Armee des ersten chinesischen Kaisers, wie sie in der Bremer Überseestadt dieses Jahr in einer weltumspannenden Wanderausstellung zu sehen war; den thailändischen Tempel in Hagenbecks Tierpark zu Hamburg; Frühlingspartie in einem Garten irgendwo in Norddeutschland; romanisch-gotische Säulenkapitelle im Kreuzgang der Michaeliskirche zu Hildesheim; Kreuzgang von Stift Börstel im Osnabrücker Land; Detail aus dem ottonischen Innenraum wiederum der Hildesheimer Michaeliskirche; Rotunde der St.-Lamberti-Kirche zu Oldenburg (Oldb); und dann das allerklassischste Fotomotiv aus der Hamburger Speicherstadt.

Nach diesen ernüchternden Erkenntnissen bin ich mir selbst gegenüber misstrauisch geworden. Sogar dieses eine Foto, das so aussieht wie ein Blick von der Ausgrabungsstätte Troja hinüber zu den Dardanellen, ist wohl ein inneres Fake meiner trügerischen Wahrnehmung:

zu hause auf dem schemel

Ich interpretiere es als Schemel vor der Haustür des Instagramstars Rick Derneburg, auf den er sich zur Erholung gern setzt, um die herrliche Aussicht über die Norddeutsche Tiefebene in vollen Zügen zu genießen.

Geht jetzt die Welt unter?

Die Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten von Amerika haben den Kandidaten der Republikanischen Partei, Donald Trump, als Sieger hervorgebracht, sofern die Elektoren ordnungsgemäß kurz vor Weihnachten ihre Stimmen abgeben – und daraufhin das erwartete Ergebnis am Dreikönigstag bestätigt wird. Mit der Amtseinführung am 20. Januar 2017 ist es geschafft. Der 45. US-Präsident kann dann mit der Wahrnehmung seiner Repräsentationsaufgaben und mit der angekündigten ihm eigenen Tatkraft in den Regierungsgeschäften durchstarten.

Diese nüchternen Feststellungen seien in bewusst scharfem Kontrast geäußert zum heftigen Wahlkampf sowie zum Geheul bei uns, diesseits des Atlantischen Ozeans. Wo gehobelt wird, da fallen bekanntlich Späne. Warum regen wir Deutschen uns eigentlich ob des Ergebnisses so auf? Als Obama seine erste Wahl gewann – im Jahr 2008 – , da bejubelten die Menschen hierzulande einen Messias. Sogar das Friedensnobelpreiskomittee in Oslo ließ sich von dieser angeblichen Lichtgestalt derart blenden, dass es ihr die hohe Auszeichnung als Vorschusslorbeer zuerkannte. Doch Barack („Segen“) the President ließ, gemeinsam mit Außenministerin Clinton, in der Folgezeit faktisch kaum einen jener schmutzigen Kriege aus, die derzeit das Antlitz unserer Erde schänden.

Heute nun verteufeln dieselben Leute, die damals sinngemäß oder gar wortwörlich sangen: „Hey, Obama, leuchte!“, einen Wahlsieger, den sie noch gar nicht kennen. Gewiss ist nur: Trump passt in kein vorgefertigtes Szenario. Das macht die weitverbreitete Angst vor ihm einerseits verständlich. Was will der Mann wirklich?, fragen viele. Andererseits: Da agiert jemand völlig unabhängig von den üblichen Kampagnen, rotzt seine Ansichten raus – und wird genau dafür gewählt! Was den einen ein mulmiges Gefühl beschert, ist den anderen geradezu Anreiz, ihn zu unterstützen: in dem Bestreben, den sogenannten Eliten eins auszuwischen. Artikuliert sich da eine Ahnung, die Welt könne verändert werden ohne die ehemals Bürgerbewegten, die schon längst das Establishment bilden? Ist man deswegen so erregt, weil die eigenen Felle davonzuschwimmen droh(n)en?

img_20150824_212251

Not my President – so skandieren Demonstranten in den USA, in vermeintlicher Anlehnung an die glorreichen Zeiten, da jede Art von Betroffenheit als Druckmittel eingesetzt werden konnte, um das eigene werte Befinden für bare Münze zu nehmen und als absolute Realität hervorzukehren, der sich alles andere unterzuordnen habe. In wutbürgerlicher Absicht setzen sie das als alternativlos, von dem sie bauchgefühlig meinen, es sei identisch mit dem Gutenwahrenschönen – ohne gesteigerte Rücksicht auf die öffentliche Ordnung. Pressionen sind dann diejenigen ausgesetzt, die eine andere Sicht auf die Dinge haben und sich unterstehen, diese ihre Meinung auch noch vernehmlich kundzutun.

Schon brechen Internetseiten wegen übergroßen Ansturms zusammen – von denen man sich in manchen Kreisen erhofft, sie würden praktische Tipps geben zur Auswanderung nach Kanada. Und vielleicht kommen einige bald auch auf die Idee, von New York aus der Freiheitsstatue den Rücken zu kehren und back to good old Germany zu schippern, Endstation Bremerhaven? Nichts ist ja in diesen verrückten Zeiten undenkbar. Sich ihrer eigenen Ansichten felsenfest sichere Pilgermütter könnten dann an der Columbus-Kaje Signale aussenden, mit ihnen all jene Antennen erreichen, die sich strecken und recken nach dem Slogan: „Nicht in meinem Namen“ – als ob es auf solche geballten Selbstgerechtigkeiten ankäme!

Komplementäres Denken ist falsch. Jetzt soll Hillary so gut sein wie Donald böse? Aber auch das Gegenteil stimmt wahrscheinlich nicht: Mrs. Rodham Clinton als kriegslüsterne Zicke, die sich mit dem bundesdeutschen Betonfrisur-Röschen und dessen Chefin im Kanzleramt verbündet – versus Mr. Drumpf samt seiner pfälzischen Abstammung, der mit Putin und Schröder einen trinken geht, und schon ist der Weltfriede gerettet … Zwar mag der Philosoph Peter Sloterdijk auch knapp dreißig Jahre nach seinem Wort richtig liegen, sogar in dem einzigen Land der Welt, das von gleich zwei Frauen regiert werde, gehe es deshalb nicht besser zu als anderswo – aber nirgends hat andererseits die Erfahrung irgendwelche Fortschritte verzeichnet, so dass etwa herrschende Männer zur Vernunft gekommen wären. Maggie & Liz haben damals, Ende der Achtziger, ebenso eisern – und im übrigen: very British – Kurs gehalten wie – auf seine Weise – Birne in Bonn. Frauenpower unterscheidet sich in nichts von den despektierlich so genannten „patriarchalischen Strukuren“, die es vorgeblich „aufzubrechen“ gelte. Macht ist Macht, gleich, wem sie zufällt.

Wer nur ein bisschen sich mit Glaubensdingen befasst, weiß, dass keine echte Religion auch nur minimalen Raum lässt für das unumschränkte Schalten und Walten einer einzigen politischen Person, Institution oder imperialen Hybris. Kult wird da allein dem zuteil, was NICHT eingebunden ist in die Welt der Abstimmungen oder Putsche, Kriegserklärungen oder Rebellionen, Demonstrationen oder Revolutionen. Zufällige Geschichtsereignisse können niemals absolute Vernunftwahrheiten werden, wissen wir sinngemäß spätestens seit Lessing. Das gilt auch hier und heute. Ohne Hillary kann durchaus auch manches besser werden; und mit Donald bricht keinesfalls die Apokalypse an. Das Ende ist schließlich immer nahe! An Wahlausgänge lässt es sich nicht ketten. Ob es jetzt unmittelbar bevorsteht oder sich noch Jahrtausende Zeit lässt, weiß wahrlich nur Gott allein.

Statt also den Teufel an die Wand zu malen, wäre es angesagter, sich folgende Sätze übers Bett zu hängen: „Donald Trump wird unser Präsident sein. Wir schulden ihm Offenheit und die Chance, das Land zu führen. Unsere verfasste Demokratie fordert eine friedliche Machtübergabe.“ Das sagt die – Wahlverliererin! Hillary Rodham Clinton: ganz stark. Während sich hierzulande viele in Ratschlägen und Ermahnungen an den „Neuen“ in den USA unschicklicherweise überbieten, ja sogar eigenmächtig den Weltuntergang ausrufen, ist die im Kampf ums Weiße Haus Unterlegene selbst fair und gefasst – mit einem vorbildichen Vertrauen in die verfassungsmäßig vorgesehenen Regularien. Also bitte keine Panik.

Foto: Auswandererstadt Bremerhaven.