Geht jetzt die Welt unter?

Die Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten von Amerika haben den Kandidaten der Republikanischen Partei, Donald Trump, als Sieger hervorgebracht, sofern die Elektoren ordnungsgemäß kurz vor Weihnachten ihre Stimmen abgeben – und daraufhin das erwartete Ergebnis am Dreikönigstag bestätigt wird. Mit der Amtseinführung am 20. Januar 2017 ist es geschafft. Der 45. US-Präsident kann dann mit der Wahrnehmung seiner Repräsentationsaufgaben und mit der angekündigten ihm eigenen Tatkraft in den Regierungsgeschäften durchstarten.

Diese nüchternen Feststellungen seien in bewusst scharfem Kontrast geäußert zum heftigen Wahlkampf sowie zum Geheul bei uns, diesseits des Atlantischen Ozeans. Wo gehobelt wird, da fallen bekanntlich Späne. Warum regen wir Deutschen uns eigentlich ob des Ergebnisses so auf? Als Obama seine erste Wahl gewann – im Jahr 2008 – , da bejubelten die Menschen hierzulande einen Messias. Sogar das Friedensnobelpreiskomittee in Oslo ließ sich von dieser angeblichen Lichtgestalt derart blenden, dass es ihr die hohe Auszeichnung als Vorschusslorbeer zuerkannte. Doch Barack („Segen“) the President ließ, gemeinsam mit Außenministerin Clinton, in der Folgezeit faktisch kaum einen jener schmutzigen Kriege aus, die derzeit das Antlitz unserer Erde schänden.

Heute nun verteufeln dieselben Leute, die damals sinngemäß oder gar wortwörlich sangen: „Hey, Obama, leuchte!“, einen Wahlsieger, den sie noch gar nicht kennen. Gewiss ist nur: Trump passt in kein vorgefertigtes Szenario. Das macht die weitverbreitete Angst vor ihm einerseits verständlich. Was will der Mann wirklich?, fragen viele. Andererseits: Da agiert jemand völlig unabhängig von den üblichen Kampagnen, rotzt seine Ansichten raus – und wird genau dafür gewählt! Was den einen ein mulmiges Gefühl beschert, ist den anderen geradezu Anreiz, ihn zu unterstützen: in dem Bestreben, den sogenannten Eliten eins auszuwischen. Artikuliert sich da eine Ahnung, die Welt könne verändert werden ohne die ehemals Bürgerbewegten, die schon längst das Establishment bilden? Ist man deswegen so erregt, weil die eigenen Felle davonzuschwimmen droh(n)en?

img_20150824_212251

Not my President – so skandieren Demonstranten in den USA, in vermeintlicher Anlehnung an die glorreichen Zeiten, da jede Art von Betroffenheit als Druckmittel eingesetzt werden konnte, um das eigene werte Befinden für bare Münze zu nehmen und als absolute Realität hervorzukehren, der sich alles andere unterzuordnen habe. In wutbürgerlicher Absicht setzen sie das als alternativlos, von dem sie bauchgefühlig meinen, es sei identisch mit dem Gutenwahrenschönen – ohne gesteigerte Rücksicht auf die öffentliche Ordnung. Pressionen sind dann diejenigen ausgesetzt, die eine andere Sicht auf die Dinge haben und sich unterstehen, diese ihre Meinung auch noch vernehmlich kundzutun.

Schon brechen Internetseiten wegen übergroßen Ansturms zusammen – von denen man sich in manchen Kreisen erhofft, sie würden praktische Tipps geben zur Auswanderung nach Kanada. Und vielleicht kommen einige bald auch auf die Idee, von New York aus der Freiheitsstatue den Rücken zu kehren und back to good old Germany zu schippern, Endstation Bremerhaven? Nichts ist ja in diesen verrückten Zeiten undenkbar. Sich ihrer eigenen Ansichten felsenfest sichere Pilgermütter könnten dann an der Columbus-Kaje Signale aussenden, mit ihnen all jene Antennen erreichen, die sich strecken und recken nach dem Slogan: „Nicht in meinem Namen“ – als ob es auf solche geballten Selbstgerechtigkeiten ankäme!

Komplementäres Denken ist falsch. Jetzt soll Hillary so gut sein wie Donald böse? Aber auch das Gegenteil stimmt wahrscheinlich nicht: Mrs. Rodham Clinton als kriegslüsterne Zicke, die sich mit dem bundesdeutschen Betonfrisur-Röschen und dessen Chefin im Kanzleramt verbündet – versus Mr. Drumpf samt seiner pfälzischen Abstammung, der mit Putin und Schröder einen trinken geht, und schon ist der Weltfriede gerettet … Zwar mag der Philosoph Peter Sloterdijk auch knapp dreißig Jahre nach seinem Wort richtig liegen, sogar in dem einzigen Land der Welt, das von gleich zwei Frauen regiert werde, gehe es deshalb nicht besser zu als anderswo – aber nirgends hat andererseits die Erfahrung irgendwelche Fortschritte verzeichnet, so dass etwa herrschende Männer zur Vernunft gekommen wären. Maggie & Liz haben damals, Ende der Achtziger, ebenso eisern – und im übrigen: very British – Kurs gehalten wie – auf seine Weise – Birne in Bonn. Frauenpower unterscheidet sich in nichts von den despektierlich so genannten „patriarchalischen Strukuren“, die es vorgeblich „aufzubrechen“ gelte. Macht ist Macht, gleich, wem sie zufällt.

Wer nur ein bisschen sich mit Glaubensdingen befasst, weiß, dass keine echte Religion auch nur minimalen Raum lässt für das unumschränkte Schalten und Walten einer einzigen politischen Person, Institution oder imperialen Hybris. Kult wird da allein dem zuteil, was NICHT eingebunden ist in die Welt der Abstimmungen oder Putsche, Kriegserklärungen oder Rebellionen, Demonstrationen oder Revolutionen. Zufällige Geschichtsereignisse können niemals absolute Vernunftwahrheiten werden, wissen wir sinngemäß spätestens seit Lessing. Das gilt auch hier und heute. Ohne Hillary kann durchaus auch manches besser werden; und mit Donald bricht keinesfalls die Apokalypse an. Das Ende ist schließlich immer nahe! An Wahlausgänge lässt es sich nicht ketten. Ob es jetzt unmittelbar bevorsteht oder sich noch Jahrtausende Zeit lässt, weiß wahrlich nur Gott allein.

Statt also den Teufel an die Wand zu malen, wäre es angesagter, sich folgende Sätze übers Bett zu hängen: „Donald Trump wird unser Präsident sein. Wir schulden ihm Offenheit und die Chance, das Land zu führen. Unsere verfasste Demokratie fordert eine friedliche Machtübergabe.“ Das sagt die – Wahlverliererin! Hillary Rodham Clinton: ganz stark. Während sich hierzulande viele in Ratschlägen und Ermahnungen an den „Neuen“ in den USA unschicklicherweise überbieten, ja sogar eigenmächtig den Weltuntergang ausrufen, ist die im Kampf ums Weiße Haus Unterlegene selbst fair und gefasst – mit einem vorbildichen Vertrauen in die verfassungsmäßig vorgesehenen Regularien. Also bitte keine Panik.

Foto: Auswandererstadt Bremerhaven.