Siebziger, notdürftig gereimt

Bluna, Tritop, Afri-Cola,

Prilblumen und Klementine,

Dalli-Dalli, Ilja Richter,

ganz mechanisch: Schreibmaschine.

Schlussverkäufe, Baader-Meinhof,

Breschnew und Honecker,

Willy Brandt und Willi Stoph,

Negerküsse waren lecker.

Jusos, Judos, Schmidt und Strauß,

F.A.Z. nebst Stern und Spiegel …

Plötzlich ging das Erdöl aus.

Da half weder Brief noch Siegel.

Als ich in die Schule kam,

war Olympia in München,

und die Zeit verging noch langsam:

Nichts ließ sich da übertünchen.

Siebziger, wart ihr nun besser

als unsre altgewordne Zeit?

Ihr warbt um Raucher, Trinker, Fresser

und reklamiertet so die Freiheit.

Auf ewig Fortschritt und Konsum!

Man baute fleißig Autobahnen.

Je mehr das Geld floss, blieb man stumm

und nahm gern Mohn von den Afghanen.

Es waren ausgelassne Jahre

mit Tagesschau und Sesamstraße.

Der Teppich hieß: „Auslegeware“

im kleinen wie im großen Maße.

Ob giftgrün, hellbraun, himmelblau:

Ästhetik fand einfach nicht statt.

Bis ultimo lief diese Show.

Kein Mensch war je scheinblütensatt.

Oktav für Beethoven

So hatten wir uns die Feiern zum zweihundertfünfzigsten Geburtstag des Ludwig van Beethoven nicht vorgestellt! Im wirklichen Leben durfte nichts stattfinden, weil coronabedingt auf alles Festliche verzichtet werden musste. Menschenansammlungen in Konzerten wären womöglich zu „Superspreader-Events“ geworden. Wer hätte das verantworten wollen?

Eigenartig bleibt es schon, dass ausgerechnet der Komponist, dessen Werke geradezu nach unbeschränkter Öffentlichkeit verlangen, pünktlich zu seinem Jubiläumswiegenfest weggeschlossen wurde. Der 16. Dezember 2020 wird in Deutschland immer mit dieser Tatsache verbunden sein, sofern sich historisch interessierte Bürgersleute später einmal erinnern.

Doch wir wollen nicht jammern. Es kommen auch wieder bessere Zeiten. Per aspera ad astra. Umso freundlicher wirkt ein Hashtag namens „bthvn_2027“ auf die betrübte Seele: In sieben Jahren ist Beethovens Ableben zweihundert Jahre her. Und dazwischen kann die öffentliche Pflege der Musik des Meisters ja weitergehen. Vieles, was nun verboten wurde, könnte nachgeholt und/oder vertieft werden.

2020 mitgezählt, sind es bis einschließlich 2027 genau acht Jahre. Das entspricht dem Intervall einer Oktave. Im Kirchenjahr gibt es die biblische Zeit „nach acht Tagen“, nämlich die Wiederkehr des gleichen Wochentages beziehungsweise den Beginn einer neuen Woche. Davon hat sich die „Oktav“ nach hohen Festtagen etabliert. Acht Tage nach dem Christfest ist Beschneidung und Namengebung Jesu (1. Januar, seit viereinviertel Jahrhunderten in unseren Breiten zugleich Neujahr), acht Tage nach dem Osterfest der Weiße Sonntag (Quasimodogeniti), acht Tage nach dem Pfingstfest das Lob der Heiligen Dreifaltigkeit (Trinitatis).

Entsprechend der symphonischen Organisation seit Beethoven lassen sich die Tage mühelos in Jahre ausweiten. Entscheidend sind, wie bei der Schöpfungsgeschichte, die Einheiten und nicht deren absolute Dauer! Wissenschaftlich messbare Sekunden, Minuten, Tage, Monate oder Jahre sind da eher relativ, volativ, flexibel. Der lange Atem ist gefragt. Beethoven jedenfalls hat kein festgelegtes Jubiläums- oder Gedenkjahr nötig. Dem menschlich-gesellschaftlichen chronologischen Bedürfnis aber kommt es entgegen, wenn einigermaßen überschaubare Zeiträume sich auftun.

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Acht Jahre Achtsamkeit für den großen Künstler ist weder zu viel noch zu wenig. Achtung gebührt ihm allemal, befreit von sämtlichen mitunter albernen Antipandemiemaßnahmen (siehe Symbolbild). Beachtet werden mögen Beethovens unvergleichliche Schöpfungen alle Jahre wieder. Vielleicht dann auch einmal seine Achte Symphonie. Die kam bisher entschieden zu kurz.

Nun ist das Jahrtausend richtig erwachsen

Zwischen Werden und Sein liegt ein gradueller Unterschied der Zeit. Bisher wuchs dieses laufende Jahrtausend immer noch ein bisschen heran: Es war nicht schon, sondern wurde erst erwachsen. Darauf wies ich mit einer Überschrift hier und heute vor einem Jahr freundlich hin.

Jetzt aber ist es geschafft: Ausgereift lassen wir das jugendliche Gewächs – mit besten Ratschlägen aus Geschichte und Gegenwart versorgt, umhegt, ermahnt – nunmehr selbstbestimmt jene Historie nach Christi Geburt fortführen, die gemäß der entsprechenden abendländischen Zeitrechnung nicht abstrakt mit einem Jahr Null, sondern konkret mit dem Jahr Eins ins Leben trat. Aus dieser Einsicht ergibt sich alles weitere.

Nun ist das Jahrtausend richtig erwachsen

Hoffen wir also ausschließlich Großartiges für dieses nun flügge gewordene Wesen, das als eine Art Langzeitprojekt vor achtzehn Jahren ungefragt einfach weltweit lückenlos flächendeckend zu uns kam, ab dann eben nun mal da war und sich allerdings nur überaus schwer bändigen ließ. Immerhin hat es aber mittlerweile durchaus von solch hehren Begriffen wie Glaube und Vernunft wenigstens von ferne gehört. Es ist somit aus dem Gröbsten raus. Umfragen, die ich leider nicht persönlich gefälscht habe, scheinen diesen Befund alternativlos zu bestätigen.

Und nun steht die Berufswahl an. Ausbildung oder Studium? Wir gehen davon aus, dass diese Frage in höchstem Maße verantwortungsbewusst angegangen wird. Sogar für den sehr unwahrscheinlichen Fall, dass wider Erwarten und gegen jedes ehrliche ausdrückliche Ansinnen schön geschwungener Festreden, wie sie ältere Generationen unter den Teenagern so famos zu elaborieren verstehen – … dass also auch Anno Domini MMXIX einige wenige Menschen nicht immer nur friedlich, gütig oder barmherzig agieren sollten, gibt es ja noch die Vertröstung auf den Zeitpunkt vom heutigen Tag aus gesehen in genau drei Jahren: Dann nämlich kann, so Gott will und wir leben, unser Millennium noch eine Schippe drauflegen und auch seine Volljährigkeit kräftig feiern!

Ergeben sich nicht aus einer solchen prophylaktisch angedachten Fristverlängerung die vielversprechendsten Aussichten? Bleiben wir als Idealisten mithin ruhig und vor allem: realistisch. Wie sagt der bodenständige Optimist so treffend: „Wird schon werden“. Na also. In diesem Sinne: Denn man tau!

Kleiner Linkwink

Allem Lebendigen ist die Tendenz immanent, sich auszubreiten. Uns Angehörigen des Menschengeschlechts stehen hierfür mannigfaltige Möglichkeiten bereit, je nach Gaben und Fähigkeiten. Ohne den allen Aktivitäten zugrundeliegenden natürlichen kulturbildenden Trieb jedenfalls gäbe es uns abendländische Zeitgenossen gar nicht.

Freilich hätten wir auch weniger unsinnige Auswüchse desselben. Dass etwa jede Verwaltung dazu neigt, sich durch fortschreitende Ausdifferenzierung so zu vergrößern und zu verselbständigen, dass schließlich niemand mehr weiß, wofür sie eigentlich da ist, sollte zu ernstem Nachdenken rufen. Wir machten uns schon in den siebziger Jahren über die Eurokraten in Brüssel lustig, wenn sie Krümmungsgrade für Gurken oder Bananen verbindlich festlegen wollten. Da gab es ganze Abteilungen, die sich nur mit solchen Fragen befassten!

Das ist lange her. Weniger Referatsleiter oder Dezernenten oder Mitarbeiter sind es dort nicht geworden. Aber es hat sich ja auch sonst alles augmentiert. Mit der niemals zurückgehenden, sondern stets prosperierenden Zeit wird alles zahlreicher und älter. Die Menge der Tage, Wochen, Monate, Jahre, Jahrzehnte, Jahrhunderte und sogar Jahrtausende wächst unaufhörlich an – sie nimmt nie ab. Alles wird immer mehr.

Blickt man von der Quantität hinüber zur Qualität, so sind bezüglich ihrer oft in verschiedenen Hinsichten eingeforderten Erhöhung Fragen angebracht; dass es im Grunde nichts Neues unter der Sonne gibt, steht schon in der Bibel. Und doch ist auch mit dem Prediger Salomo des Büchermachens kein Ende gewesen. Bis zum heutigen Tag singen, sprechen und schreiben etliche Leute einfach das, was ihnen in den Sinn kommt – ohne Rücksicht auf irgendwelche angemahnten Umweltverträglichkeiten in puncto Energiesparen, Konsumverzicht oder was an hehren Zielen dergleichen sonst uns eingeredet werden soll.

Je nachhaltiger wir uns erdreisten zu reglementieren, desto schneller kommt der Tod. Das ist keine Angelegenheit der Moral, sondern schlicht und einfach der noch zu bewältigenden Lebensjahre. Also auch wieder eine Zeitfrage. Nicht die himmelsstürmenden Zukunftsprojekte lassen uns existieren, sondern die Dinge, die hic et nunc, hier und jetzt unsere Aufmerksamkeit beanspruchen. Manchmal sind richtig schöne Ereignisse dabei. So blüht seit Wochen meine Clivia auf, Erbstück aus Ablegern der Urgroßelterngeneration. Sie treibt eine Blüte nach der nächsten – und das mitten im Winter.

schöne cliviaSo großartig kann Verbreitung, Vergrößerung, ja Inbesitznahme sein! Und aus diesem anschaulichen Grund habe ich es für nicht so ganz verwerflich gehalten, diesem Weblog eine kleine Filiale angedeihen zu lassen. In meinen beigegebenen noten&notizen soll Platz sein für kurze Texte, die sich musikalischer, literarischer oder sonst künstlerischer Stücke annehmen – ohne dass anschließend Bilder abgehängt werden müssten. Vor derzeitig grassierendem politischkorrekten Vandalismus muss sich in meinen Kolumnen niemand fürchten.

Hier der Link: https://notennotizen.wordpress.com

Dazu winkt dankbar für insgesamt nun schon fünfzig Beiträge, die von so manchen Getreuen interessiert sowie freundlich-kritisch gelesen wurden und werden: ein unerschütterlicher, durchaus lebendig sich ausbreitender Feo Eccard.